Sonntag, 17. Dezember 2017

[Rezension] Kleine große Schritte

Titel: Kleine große Schritte | Autorin: Jodi Picoult
Verlag: C.Bertelsmann | Seitenanzahl: 592 Seiten | Preis: 20,00€ (HC)
ISBN: 978-3-570-10237-4
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Inhaltsangabe
Ruth Jefferson ist eine äußerst erfahrene Säuglingsschwester. Doch als sie ein Neugeborenes versorgen will, wird ihr das von der Klinikleitung untersagt. Die Eltern wollen nicht, dass eine Afroamerikanerin ihren Sohn berührt. Als sie eines Tages allein auf der Station ist und das Kind eine schwere Krise erleidet, gerät Ruth in ein moralisches Dilemma: Darf sie sich der Anweisung widersetzen und dem Jungen helfen? Als sie sich dazu entschließt, ihrem Gewissen zu folgen, kommt jede Hilfe zu spät. Und Ruth wird angeklagt, schuld an seinem Tod zu sein. Es folgt ein nervenaufreibendes Verfahren, das vor allem eines offenbart: den unterschwelligen, alltäglichen Rassismus, der in unserer ach so aufgeklärten westlichen Welt noch lange nicht überwunden ist…
(Quelle: C. Bertelsmann)


Meine Meinung

Rassismus zu klischeehaft dargestellt


Der Klappentext gibt dem Leser hier einen sehr guten Einblick in das Anfangsgeschehen des Romans. Die hier dargestellte Grundidee, dass die Autorin das Setting in ein Krankenhaus legt, wir dort auf eine sehr gut ausgebildete schwarze Säuglingskrankenschwester treffen und diese wiederrum auf eine Familie trifft, welche eine rassistische Einstellung gegenüber Afroamerikanern hat, finde ich sehr gelungen. Allein diese Konstellation und dieses Ursprungssetting regen den Verstand zum Nachdenken an. Als Leser versucht man die verschiedenen Seiten in der Geschichte nachzuvollziehen bzw. zu verstehen, was mal leichter und mal schwerer fällt. Zu den verschiedenen Perspektiven zähle ich die der Krankenschwester und Prota im Roman Ruth Jefferson, die des Säuglingsvaters Turk Bauer und zu Beginn versuchte ich mich auch in die Sicht- und Handlungsweise der Chefin von Ruth hineinzuversetzen, welche Ruth den Umgang mit dem Baby sehr schnell untersagte.

Insgesamt bleiben drei Perspektiven im Buch. Jedoch geht es neben Ruth und Turk um die Geschichte und die Sichtweise von Kennedy McQuarrie, welche als Anwältin eine wichtige Rolle in dem Buch spielt.

Zu den Charakteren. Ruth kannte ich bereits aus der Vorgeschichte und ich habe mich gefreut, nun zu erfahren, was aus ihr geworden ist. Sie hat also gekämpft und ihren Weg gefunden. Bei ihrer Person wurde mir sehr schnell klar, dass diese aufkeimende rassistische Einstellung ihr gegenüber für sie komplett neu war. Ihren Umgang damit fand ich fast ein wenig emotionslos und nicht ganz so, wie ich es erwartet habe.
Turk Bauer und auch seine Frau Brittany vertreten hier ganz klar die Seite zweier Mitglieder der White Power Bewegung. Dank Turks Sichtweise bekommt man tiefere Eindrücke dieser Gruppierung. Sowohl ihre Denk- als auch ihre Handlungsweisen wurden dem Leser vor Augen geführt.

„Ich möchte einen Tag der Rache zu Ehren meines Sohnes.“ (S. 313)

Die Anwältin Kennedy McQuarrie war mir von Anfang an sehr sympathisch. Ich mochte den Einblick in ihre Privatsphäre, in der Mann auf ihren Mann und ihre kleine Tochter Violet trifft. Kurz gesagt wird Kennedy als chaotische und stressgeplagte Frau vorgestellt, die sich meiner Meinung nach in der Geschichte am meisten entwickelt.

Wer bereits einige Romane der Autorin kennt, weiß, dass Picoult die Meisterin der Gerichtsverhandlungen ist. Auch hier stehen eine Anklage und deren Prozess im Mittelpunkt des Buches. Ruth wird von der Familie Bauer wegen unterlassender Hilfeleistung gegenüber ihres Sohnes Davis angeklagt. Dem entgegengestellt wird die Aufforderung, dass Ruth sich von diesem Kind fernhalten soll, es nicht mal berühren soll. Als Davis eines Tages blaugefärbt im Säuglingszimmer liegt, weiß Ruth nicht, wie sie sich verhalten soll.
Dann nimmt der Roman seinen Verlauf.

Die Anfangspassagen und auch die Gerichtsverhandlung im mittleren Teil gefielen mir sehr gut. Dann entschied sich die Autorin meiner Meinung nach für den falschen Weg, diesen Roman zu einem Ende zu führen.

Dass sich die Autorin an diese immer noch aktuelle und wichtige Thematik herangetraut hat, halte ich ihr sehr zu Gute. Auch dass sie der Geschichte mit ihrem tollen Schreibstil und der charakteristischen Gerichtsverhandlung diesen speziellen Picoult-Touch gegeben hat, gefällt mir.
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Allerdings habe ich eben schon kurz angedeutet, kam ich mit dem letzten Drittel dieses Buches überhaupt nicht überein. Für mich war aufgrund der stark antisemitischen Einstellung von Turk Bauer klar, wie sich ein Gericht in dieser Situation zu verhalten hat.
Picoult setzte aber darauf, Turk Bauer mit Zitaten zu versetzen, die die White Power Bewegung sehr klischeehaft darstellt. Ich mag meinen, dass ein Großteil dieser Mitglieder gar nicht dumm ist, aber so werden sie hier dargestellt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Sowohl optisch, als auch verhaltenstechnisch setzte die Autorin hier auf typische Skinheadbeschreibungen von Turk Bauer und anderen Mitgliedern. Im Nachwort erwähnt sie die Zusammenarbeit mit einigen Aussteigern aus der Szene. Aber mich hätte tatsächlich auch mal die Meinung eines Mitglieds der Szene interessiert. Viele Beschreibungen wurden meiner Meinung nach aus den sehr aktiven 90er Jahren herausgezogen. Für mich war es am Ende zu viel des Guten. Ich will nicht sagen, dass die Autorin vom eigentlichen Thema Ruth abwich, aber es artete beinahe in Hetze aus, was dieser Roman absolut nicht nötig gehabt hätte. Ausschlaggebend für meine anschließende Bewertung war der abschließende Part um Brittany Bauer, welche in die White Power Bewegung sozusagen hineingeboren wurde. Dazu mag ich an dieser Stelle allerdings nicht mehr sagen.


Mein Fazit
Ein Roman mit einem wichtigen, aktuellen Thema, welcher anfänglich alle Faktoren für einen interessanten, spannenden und nachdenklich machenden Roman bereithielt. Allerdings konnte ich vor allem gegen Ende nicht mehr mit den Ideen der Autorin umgehen. Zu viele Situationen erschienen mir zu realitätsfern.
Für mich ein Buch, dass jeder Leser wohl anders empfinden wird.
Ich habe lange über meine Worte nachgedacht und bin zu diesem Fazit gekommen.
Vor allem Picoult-Fans sollten sich ein eigenes Bild bilden.
Es ist als ihr wichtigstes Buch ausgeschrieben. Die Thematik gibt diese Aussage her, aber meiner Meinung nach auch viele andere Thematiken in ihren Büchern.

 

P.S. ich hatte auch kurz in das Hörbuch zum Buch hineingehört und war maßlos enttäuscht. Weniger von den Sprechern, als von dem schlechten Aufbau und der massiven Kürzung der Geschichte. Mit fehlten die Perspektivüberschriften und so stark gekürzte Kapitel bzw. das komplette Weglassen von Kapiteln habe ich selten gehört. Sehr schade und nicht zu empfehlen.

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Die Autorin
Jodi Picoult, geboren 1967 in New York, studierte in Princeton und Harvard. Seit 1992 schrieb sie mehr als zwanzig Romane, von denen viele Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste waren. Die Autorin wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, wie etwa 2003 mit dem renommierten New England Book Award. Picoult lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und zahlreichen Tieren in Hanover, New Hampshire.
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 Mein herzlichster Dank für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares gilt

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